Das Zuhause für den Tag

Kindertagespflege - Wie ich sie sehe

Unlängst entschlossen meine Freundin und ich uns erst sehr spät eine der beliebten Neubrandenburger Konzertnächte zu besuchen, so dass wir nur noch Karten für den sogenannten Orgelrang bekamen. Der Orgelrang befindet sich im Rücken der Philharmoniker und ich war ziemlich enttäuscht darüber. Aber bald nach Beginn des Konzertes wich meine Enttäuschung einer großen Faszination - zwar sahen wir nur die Hinterköpfe der Musiker, dafür aber erstmals den Dirigenten während seiner Arbeit von vorn. Und dieser Anblick entschädigte mich für alles, denn in seinem Gesicht konnte ich neben seiner Konzentration eine ungeheure Freude an seinem Wirken erkennen, Hingabe und Aufmerksamkeit für jedes einzelne Orchestermitglied, dem er lauschte und seinen Einsatz gab.

Dieses Bild hat Ähnlichkeit mit der Tätigkeit der Tagesmutter, wie ich sie verstehe. Während der Arbeit sind eine Vielzahl von Komponenten ins Gleichgewicht zu bringen und auch zu halten, denn nur so können alle Beteiligten miteinander harmonieren.
Es sind nicht nur die 10 Tageskinder, die ich mit meiner Kollegin zusammen betreue, es sind auch deren Eltern, ihre Arbeitszeiten und Vorstellungen zu Erziehungsfragen, es ist meine Kollegin, mit der ich den größten Teil des Tages verbringe, es ist das Einkaufen und Kochen, die eigene Familie, Fortbildung, die miteinander in Einklang zu bringen sind.

Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich in diesem Beruf, habe also den 50. Geburtstag schon begangen und verspüre noch so wie in meinem ersten Arbeitsjahr die gleiche Freude an den Kindern, Neugier auf die Abenteuer eines jeden Tages mit ihnen.

In diesem Sinne entstand auch unser Zuhause für den Tag, ein Ort, der für Kinder Anregung und Ruhe, Bewegung und Spiel bietet.

Aus den äußeren Bedingungen und unserer Grundhaltung Kindern gegenüber schufen wir unser Konzept.
Darüber lassen sich viele Worte machen, es ist aber auch zum Wesentlichen in nur 3 Stichpunkten zusammen zu fassen:

  1. Freude/Zuwendung/Aufmerksamkeit
  2. Anregung auf jedem Feld des gemeinsamen Lebens
  3. Konsequenz und Zuverlässigkeit


Diese drei Punkte sind keineswegs eine Einbahnstraße in Richtung der Kinder, sondern wir bekommen sie auch von den Kindern zurück und profitieren von jedem Kind.

Nun stellt sich nur noch die Frage, wie wir diese Grundsätze konkret in der der Arbeit mit den Kindern umsetzen. Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir leben sie.
Leben ist wörtlich gemeint, denn nur, was wir den Kindern vorleben, ist authentisch und wird von ihnen wahrgenommen und nachgelebt.

Diese Ansätze, die sich in der Fachliteratur auch unter der Montessori-Pädagogik wiederfinden, bilden nicht nur die Leitlinien unserer täglichen Arbeit - im Rahmen eines Montessori-Diplomlehrgangs konnten wir die Ansätze zudem festigen. "Hilf dem Kind, es selbst zu tun", in dem ganzheitlichen und situationsorientierten Bildungsansatz.

Oder, wie es Konfuzius schon vor 2500 Jahren beschrieb:

"Erkläre mir und ich vergesse,
  zeige mir und ich erinnere,
  lass es mich tun und ich verstehe."

Unsere Kinder lernen durch das Be - Greifen, durch das Vorleben und die damit verbundenen Emotionen. Anders gesagt, bewahren und fördern wir die in jedem Kind vorhandene Neugier und geben unseren gemeinsamen Tagen einen verlässlichen Rahmen, jeder Woche eine wiederkehrende Struktur.
Sprache und Mathematik finden sich in Alltagstätigkeiten, Basteleien und dem Erkunden der Umwelt. Der nahe Wald ist ein unerschöpfliches Füllhorn für naturkundliches Lernen, Bewegung, Freude und kleine Abenteuer. Unsere Wege werden mit der Zeit ausgedehnter, das Lernen passiert im Erleben und mit Freude.

Eingewöhnung und Entwöhnung

Diese Fachbegriffe treffen nach meinem Dafürhalten den Kern des Tuns nicht ganz. Denn es geht nicht nur darum, dass sich ein Kind einfach an uns gewöhnt, sondern, dass wir uns sein Vertrauen erarbeiten, so dass es uns als Vertretung der Eltern für den Arbeitstag akzeptiert und den Tag mit uns aufgeschlossen verbringen mag.

Ein Kind, dass die Trennung von den Eltern nicht verkraftet, hat den Kopf für die in der Gruppe zu verbringenden Tage nicht frei.

Demzufolge nehmen wir uns sehr viel Zeit für die Phase der Eingewöhnung.

Die meisten Eltern kommen das erste Mal schon während der Schwangerschaft zu uns. Wenn deren Bauchgefühl sagt, hier ist unser Kind gut aufgehoben, ist der Weg frei für eine Zusammenarbeit.

Nach der Geburt des Kindes kommen die Eltern mit dem Kind wenigstens ein mal pro Woche zu uns, so dass das Kind uns als zu seinem Umfeld gehörig einsortiert.

Soll das Kind dann allein bei uns bleiben, ist die Trennung von den Eltern in den allermeisten Fällen kein Problem.

Soll ein Kind in die Kita oder die Schule wechseln, wird es auch darauf umfassend und einfühlsam vorbereitet.

Fort- und Weiterbildung

Wie vom Gesetzgeber verlangt, absolviere ich jährlich über 30 Stunden, die der Fortbildung dienen. Dazu gehört der Erste-Hilfe-Kurs, Stunden zu rechtlichen Fragen oder pädagogische Inhalte.
Von 2015 bis 2017 habe ich die Montessori-Ausbildung erfolgreich absolviert, was meiner Arbeit viele weitere wertvolle Impulse gibt.

 

 

 

 

 

Vor einigen Jahren verabschiedeten wir unsere zarte Amelie,  gerade 3 Jahre alt, in den Kindergarten. In der neuen Gruppe traf sie Felix, inzwischen 6 Jahre alt, ein ehemaliges Tageskind von uns. Felix baute sich vor Ameli auf und fragte: " Du kommst von Anna?" "Ja." flüsterte Amelie." Gut." sagte Felix, "Dann passe ich jetzt auf Dich auf." Und tatsächlich klappte das ziemlich oft, wie uns Amelies Eltern erzählten.
Felix und Amelie haben sich bei uns nicht kennen gelernt, erst als ich einmal Amelie vom Kindergarten abholte, erkannte Felix diese Gemeinsamkeit.
Dieser kleine Dialog zeigt, dass unser Hauptanliegen in der Erziehung der Kinder auch von den Kindern angenommen und gelebt wird - die so genannte Herzensbildung.
Wir möchten mit unserer Arbeit erreichen, dass alle Kinder, wenn sie uns verlassen, Worte wie Vorsicht, Nachsicht, Weitsicht, Rücksicht und Freundschaft mit Bedeutung füllen können und es auch tun.